Der Deutsche Bundestag wird in der zweiten und dritten Lesung § 104 Insolvenzordnung (InsO) zugunsten der deutschen Banken und Energiewirtschaft im Eilverfahren ändern (BT-Drucksache 18/9983). Im Gesetzgebungsverfahren hatten sich nahezu einhellig alle  Sachverständigen Bedenken geltend gemacht, in Insolvenzverfahren zunehmend einzelne Gläubigergruppen zu privilegieren.

Der Verband der Insolvenzverwalter (VID) kritisiert diese Reform:

„Privilegieren statt sanieren scheint der neue Leitgedanke des Gesetzgebers im Insolvenzrecht zu sein“, so Dr. Christoph Niering, Vorsitzender des Verbandes der deutschen Insolvenzverwalter, VID. „In der Anhörung vor dem Rechtsausschuss haben nahezu alle unabhängigen Sachverständigen vor einer weiteren Privilegierung einzelner Gläubigergruppen gewarnt. Über diese Warnungen im Hinblick auf eine Beeinträchtigung der Sanierung insolventer Unternehmen hat sich der Gesetzgeber nunmehr hinweggesetzt“, so Niering weiter.

Mit der Neuregelung von § 104 InsO soll es zukünftig deutschen Banken, aber auch der deutschen Energiewirtschaft leichter möglich sein, sich in der Insolvenz von ihrem Vertragspartner zu trennen. Ausgangspunkt war die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9.6.2016 (IX ZR 314/14). In bemerkenswerter Eile wurde ein Gesetzesentwurf von der Bundesregierung vorgelegt, welcher nunmehr noch vor Jahresfrist Gesetz werden soll. Weder der seinerzeitige Berichterstatter des Bundesgerichtshofs, RiBGH Gerhard Vill, noch die in der Anhörung des Rechtsausschusses anwesenden unabhängigen Sachverständigen sahen einen zwingenden Anlass zu einer so weitgehenden Gesetzesänderung. Gewarnt haben sie erst recht davor, dass nun in die vereinfachte Beendigung von Verträgen nicht nur aufsichtsrechtlich überwachte Kreditinstitute, sondern auch die deutsche Energiewirtschaft und andere Branchen einbezogen werden sollen.

Grundsätzlich schützen §§ 103 ff. InsO das insolvente Unternehmen vor insolvenz- bedingten Vertragskündigungen. Solche Kündigungen sollen nach § 119 InsO ausdrücklich unwirksam sein. Ziel ist es, damit den Kern des von der Insolvenz betroffenen Unternehmens zu erhalten und so auch Arbeitsplätze zu sichern. Jede Beeinträchtigung dieses Kündigungsrechts gefährdet deshalb die Existenz des ohnehin schon finanziell geschwächten Unternehmens.

Eine Privilegierung von Kreditinstituten und der Energiewirtschaft über die Änderung des § 104 InsO ist ein weiterer Schritt zur Bevorzugung einzelner Gläubigergruppen: „Schon seit langem beobachten wir die schleichende Privilegierung mit großem Argwohn. Allem voran der Fiskus sichert sich über die Gesetzgebung, aber auch über die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs mehr und mehr Vorrechte“, so Niering.

Damit wird der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung in der Insolvenz nachdrücklich missachtet, was sich u.a. deutlich in der soeben vom Statistischen Bundesamt bekanntgegebenen Tendenz zu geringeren Quoten für die nicht gesicherten Gläubiger ausdrückt. Denn eine geringere Quote für die nicht gesicherten Gläubiger ist Spiegelbild der zunehmend wachsenden insolvenzfesten Sicherheiten und Vorrechte für Banken, Energiewirtschaft und den Fiskus.

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