Die wirtschaftliche Lage der deutschen Kliniken bleibe nach Ansicht der Unternehmensberater der Bosten Consulting Group (BCG) auch mit Einführung des von der Bundesregierung geplanten Krankenhausstruturgesetztes (KHSG) alarmierend. Die trotz Produktivitätssteigerungen bestehenden Deckungslücken bei der Krankenhausfinanzierung würden auch das neue Gesetz nicht beseitigt. Rund 40 Prozent der deutschen Krankenhäuser schreiben rote Zahlen und sind insolvenzgefährdet. Das am 1. Januar 2016 in Kraft tretende Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) wird nach der im September vorgelegten BCG-Studie keine finanzielle Verbesserung für die Kliniken bringen. Durch das KHSG würden zwar die Ausgaben für Krankenhäuser bis 2019 jährlich um 1,4 Prozent zulegen, doch gleichzeitig stagnierten die Erlöse. Wirtschaftliche Anreize für einen stärkeren Qualitätswettbewerb in Krankenhäusern werden durch das KHSG kaum geschaffen.
"Das Krankenhausstrukturgesetz wird die Erlös-Kosten-Schere der deutschen Kliniken nicht schließen können. Zwar sollen durch die unterschiedlichen Maßnahmen des Gesetzes mehr als 5 Milliarden Euro in das deutsche Krankenhaussystem fließen – die Ausgaben für Kliniken werden dadurch von 88 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf rund 93 Milliarden Euro in 2019 steigen. Allerdings liegt der Erlöseffekt durch das KHSG selbst für ein gutes, großes Krankenhaus nur bei rund einem Prozent jährlich, während die Kosten für die Kliniken deutlich stärker wachsen", sagt Dr. Zun-Gon Kim, Partner bei The Boston Consulting Group und Mitglied der BCG-Praxisgruppe Health Care.
Den Erlöseffekt durch das KHSG berechnete BCG beispielhaft für einen 'guten' Maximalversorger mit 1.000 Betten in Hessen und in Baden-Württemberg. Dieser Effekt beläuft sich laut der BCG-Analyse auf rund 6,3 bis 7,2 Millionen Euro bis zum Jahr 2019. Die beiden größten aus dem KHSG resultierenden zusätzlichen Einnahmequellen der Krankenhäuser sind Zentrumszuschläge und Pflegeförderung, abzüglich Fixkostendegressionsabschlag. Gleichzeitig werden die prognostizierten Kosten pro Fall mit 2,4 Prozent pro Jahr deutlich schneller zunehmen als der zugrunde gelegte Bundesbasisfallwert, der voraussichtlich nur um rund 1,9 Prozent ansteigen wird.
Mehr finanzielle Anreize für Qualität schaffen
Das KHSG verspricht Krankenhäusern mit guter Qualität Mehreinnahmen, Kliniken mit schlechter Qualität haben Abschläge zu erwarten. Während aber insgesamt rund 3 Milliarden Euro der zusätzlichen Mittel aus dem KHSG in Hochschulambulanzen, den Strukturfonds und die Pflegeförderung fließen sollen, folgen Qualitätszu- und abschläge mit einem Volumen von rund 100 Millionen Euro erst an neunter Stelle, wenn man Umverteilungseffekte nicht berücksichtigt. Der fünfjährige Fixdegressionsabschlag ab 2017 bremst den bisherigen Anreiz für Mehrleistungen deutlich ab, aktuell sowohl für qualitativ 'gute' als auch 'schlechte' Leistungen. Somit wird durch das KHSG nach Meinung der BCG-Experten momentan noch kein wirklicher finanzieller Anreiz für Krankenhäuser gegeben, 'gute' Leistungen zu steigern und Behandlungen nachhaltig zu verbessern.
Trotzdem – davon sind die BCG-Experten nach wie vor überzeugt – wird Qualitätsmessung künftig eine entscheidende und differenzierende Rolle spielen. Eine Möglichkeit hierfür ist die Einführung einer Messung der Qualität der medizinischen Ergebnisse über das International Consortium for Health Outcomes Measurement (ICHOM), das BCG zusammen mit Michael Porter von der Harvard Business School und dem Karolinska Institutet in Stockholm gegründet hat. ICHOM ist ein unabhängiges Non-Profit-Institut, das gemeinsam mit Patienten und führenden Ärzten sowie Qualitätsexperten Standardsets zur medizinischen Ergebnismessung für die fünfzig wichtigsten Krankheitsbilder entwickelt. An der Erarbeitung der Standardsets sind unter anderem führende Mediziner des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, der Universitätsklinik Dresden sowie der Berliner Charité beteiligt. Bisher wurden Standardsets für zwölf wichtige Krankheitsbilder aus verschiedenen medizinischen Fachbereichen wie Innere Medizin, Neurologie, Pädiatrie, Orthopädie, Psychiatrie und Onkologie publiziert.